Haben Sie ein sprachliches Zeitproblem? Das kann auftreten, wenn Sie nicht wissen, welche Zeitform Sie wählen sollen und zu Fehlern führen. Doch diese Fehler müssen nicht sein. In diesem Artikel zeige ich Ihnen, welche Zeitformen in wissenschaftlichen Texten korrekt sind. Und wie Sie diese einsetzen können. 

Was sind die richtigen Zeitformen in wissenschaftlichen Texten? Das werden Sie bald wissen. Doch vorher eine kurze Reise in die Vergangenheit: in die Zeit Ihres Deutschunterrichts.

Zeitformen: Ein Überblick

Wir Menschen haben es uns einfach gemacht. Die meisten von uns teilen die Zeit in drei Kategorien ein: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das Deutsche ist da etwas komplizierter. Es kennt nämlich insgesamt sechs verschiedene Zeitformen:

  • Vorvergangenheit (Plusquamperfekt)
  • Vergangenheit (Präteritum)
  • Vorgegenwart (Perfekt)
  • Gegenwart (Präsens)
  • Vorzukunft (Futur II)
  • Zukunft (Futur I)

So weit, so unübersichtlich. Auch hier finden Sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Doch was bitte soll eine „Vorgegenwart“ sein? Ist das nicht dasselbe wie „Vergangenheit“? Willkommen in der Wunderwelt der deutschen Zweifelsfälle und Mehrdeutigkeiten! Tatsächlich können Vorgegenwart und Vergangenheit gleichbedeutend genutzt werden, um Vergangenes auszudrücken. Die Vorgegenwart kann aber noch mehr ausdrücken. Was? Das werden Sie später lesen.

Um Sie zu beruhigen:  Sie werden in den meisten Fällen nur zwei Zeitformen in wissenschaftlichen Texten brauchen: die Gegenwart (Präsens) und die Vergangenheit (Präteritum)! Warum, das verrate ich Ihnen ebenfalls später. Vorher zeige ich Ihnen noch, wie die einzelnen Zeitformen aussehen.

Dazu nehmen wir den Satz „Ich lese den Artikel“. So sieht dieser Satz in allen sechs Zeitformen aus:

  • Vorvergangenheit (Plusquamperfekt)
    • Ich hatte den Artikel gelesen.
  • Vergangenheit (Präteritum)
    • Ich las den Artikel.
  • Vorgegenwart (Perfekt)
    • Ich habe den Artikel gelesen.
  • Gegenwart (Präsens)
    • Ich lese den Artikel.
  • Vorzukunft (Futur II)
    • Ich werde den Artikel gelesen haben.
  • Zukunft (Futur I)
    • Ich werde den Artikel lesen.

Sie sehen, dass die Zeitform nur durch ein Satzelement ausgedrückt wird: dem Verb. Das kennen Sie noch vom Konjunktiv. Verben sind also wichtige Satzelemente. Deshalb sollten Sie sie hegen und pflegen.

Zeitformen in wissenschaftlichen Texten

Wie oben erwähnt werden Sie hauptsächlich zwei Zeitformen in wissenschaftlichen Texten brauchen: Gegenwart und Vergangenheit. Und weil Sie in diesem Moment sicher gespannt sind, wie und wann Sie welche Zeitform wählen, fange ich mit der Gegenwart an, dem Präsens.

Leben, Forschen und Beschreiben im Präsens

Das Leben findet im Hier und Jetzt statt. Dasselbe gilt für die Wissenschaft: Sie berichten live über den Stand der Forschung. Sie verbinden Ihre Forschungsergebnisse mit denjenigen anderer. Und das alles in dem Moment, in dem Sie Ihren Text verfassen. Kurz: Sie drücken einen aktuellen Sachverhalt aus. Ein Beispiel:

„Grünes Gemüse gilt schon seit langem nicht mehr als Dekoration auf dem Teller. Stattdessen hat es zahlreiche positive Effekte auf die Gesundheit. Es scheint vor allem positive Effekte auf die Herzgesundheit zu haben“.

Deshalb ist die grundlegende aller Zeitformen in wissenschaftlichen Texten das Präsens. Das nutzen Sie auch dann, wenn Sie Bezug auf andere nehmen, sprich: wenn Sie zitieren:

„Maier (2012, S. 666) berichtet beispielsweise, dass grünes Gemüse den Blutdruck senken könne“.

Das machen Sie, weil Sie in der Gegenwart das wiedergeben, was jemand anderes vor Ihnen geschrieben hat. Es ist aktuell in dem Moment, in dem Sie darüber berichten.

Natürlich müssen Sie sowohl beim Beschreiben Ihrer Forschungsergebnisse als auch dem Berichten der Forschungsergebnisse anderer manchmal in die Vergangenheit reisen. Doch in welche? In die sprachliche Vorgegenwart oder Vergangenheit? Oder gar in die Vorvergangenheit?

Kurzantwort: Sie reisen fast immer in die Vergangenheit, ins Präteritum, und manchmal in die Vorvergangenheit, ins Plusquamperfekt. Eine Vergangenheitsform sollten Sie jedoch meiden: die Vorgegenwart, das Perfekt. Und zwar, weil Sie dort durcheinanderkommen können.

Berichten im Präteritum

Das Präteritum ist die Zeitform der Wahl, wenn Sie Handlungen und Vorgänge beschreiben möchten, die in der Vergangenheit abgeschlossen wurden und keinen Bezug zur Gegenwart haben. Das heißt: Wenn Sie beispielsweise berichten wollen, dass eine Forscherin eine Studie durchgeführt hat, dann nutzen Sie das Präteritum. Zum Beispiel so:

Maier (2016) konnte in einer Studie nachweisen, dass der Blutdruck der Versuchspersonen nach dreiwöchigem Verzehr von grünem Gemüse niedriger war als zuvor.

In diesem Beispiel wird also nicht beschrieben, was Maier gesagt hat, sondern was Maier gemacht hat, nämlich eine Studie durchgeführt. Dasselbe gilt auch für Ihre eigenen Handlungen. Vor allem in empirischen Arbeiten, wenn Sie im Ergebnisteil über die Resultate Ihrer eigenen Forschung berichten:

„Die Varianzanalyse ergab einen signifikanten Haupteffekt der Variable „Grünes Gemüse“ […]“.

„Es konnte eine positive signifikante Korrelation zwischen „Grünes Gemüse“ und „Blutdruck“ nachgewiesen werden“.

Das ist doch recht einfach, oder? Doch manchmal müssen Sie beim Berichten einen Schritt auf dem Zeitstrahl zurückgehen: in die Vorvergangenheit, das Plusquamperfekt.

Ein Schritt zurück ins Plusquamperfekt

Das Plusquamperfekt nutzen Sie dann, wenn Sie Vorzeitigkeit ausdrücken wollen. Das heißt: etwas, das vor dem Beschriebenen stattgefunden hat. Ein Beispiel:

„Nachdem die Versuchspersonen das Labor betreten hatten, mussten Sie einen Fragebogen ausfüllen“. (Die Plusquamperfekt-Formen sind fett)

Hier machen Sie also im Bericht einen Schritt zurück und beschreiben das, was vor der Handlung im Präteritum geschehen ist und für sie wichtig war.

Ein weiteres Beispiel, das ausnahmsweise nichts mit grünem Gemüse zu tun hat:

„Martin schlief in der Vorlesung ein. Am Abend zuvor war er zu lange wachgeblieben“. (Die Plusquamperfekt-Formen sind fett)

In diesen beiden Beispielsätzen können Sie nachvollziehen, wie das Plusquamperfekt gebildet wird:

  • Die Hilfsverben „haben“ oder „sein“, und zwar in seiner Präteritum-Form.
    • Satz 1: „[…] hatten […]“
    • Satz 2: […] war […]“.
  • Das sogenannte Partizip II am Ende des Haupt- oder Nebensatzes
    • Satz 1 „[…] betreten […]“ (Hier handelt es sich um einen vorangestellten Nebensatz, doch das ändert nichts an der Regel)
    • Satz 2: […] wachgeblieben […]“

„Aber woher soll ich denn wissen, wie so ein Partizip II gebildet wird?“ Vielleicht fragen Sie sich das jetzt und sind schon der Verzweiflung nahe. Da brauchen Sie sich aber keine Sorgen zu machen: In den meisten Texten, die ich bisher gelesen habe, war zwar vieles falsch, aber das Partizip II war fast immer korrekt gebildet. Als ob die Menschen einen sechsten Sinn für das Partizip II im Deutschen hätten.

Falls Sie doch ein Problem mit dem Partizip II haben sollten, dann hilft Ihnen ein Blick in ein Wörterbuch oder in eine Konjugationstabelle. Am Ende dieses Artikel finden Sie einen Link zu einer solchen Tabelle. Sie können sich aber auch Unterstützung bei einer wohlwollenden Person Ihres Vertrauens suchen.

So viel also zum Plusquamperfekt. Jetzt haben wir alle drei Zeitformen beisammen, die Sie in wissenschaftlichen Texten verwenden können. Doch eine fehlt noch, die ominöse Vorgegenwart, das Perfekt.

Alles Perfekt oder was?

Zur Einstimmung ein weiteres Beispiel:

„„Maier (2016) hat eine Studie durchgeführt. An dieser Studie haben N = 67 Männer im Alter von 40‑50 Jahren teilgenommen. Alle Männer haben 30 Tage lang grünes Gemüse gegessen“.

„Was ist denn daran auszusetzen?“, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Antwort: prinzipiell nichts. Auch das Perfekt kann vergangene Sachverhalte ausdrücken. Aber eben nicht nur. Es kann noch mehr:

  • Es kann Vergangenes mit Auswirkungen auf die Gegenwart ausdrücken:
    • „Ich habe schon lange kein grünes Gemüse mehr gegessen“.
      • Um das Perfekt so zu nutzen, gebrauchen Sie sprachliche Signalwörter. In diesem Falle ist das „schon lange“.
    • Es kann Zukünftiges ausdrücken:
      • „Ich bin bald am Ende dieses Artikels angekommen“.
        • Auch dafür nutzen Sie ein Signalwort. Hier ist das „bald“.

Das Perfekt wird ähnlich wie das Plusquamperfekt gebildet:

  • Die Hilfsverben „haben“ oder „sein“, und zwar in seiner Präsens-Form.
    • Satz 1: „[…] habe […]“.
    • Satz 2: […] bin […]“.
  • Mal wieder das Partizip II am Ende des Haupt- oder Nebensatzes
    • Satz 1 „[…] gegessen […]“.
    • Satz 2: […] angekommen […]“.

Und da sehen Sie vielleicht schon einen Grund, warum ich dazu rate, das Perfekt als Zeitform in wissenschaftlichen Texten zu meiden:

Sie könnten Präsens- und Präteritum-Formen miteinander verwechseln!

Das würde dann so aussehen:

„Nachdem die Versuchspersonen das Labor betreten haben, mussten sie einen Fragebogen ausfüllen“.

Das ist ein typischer Versuch, das Plusquamperfekt zu bilden. Aber dabei ist ein falscher Satz herausgekommen. Eigentlich hätten Sie nämlich die Präteritum-Form von „haben“ benutzen müssen, nämlich „hatten“. Und nicht die Präsens-Form „haben“.

So etwas passiert häufig. Es ist eine klassische Fehlerquelle.Um diese Fehlerquelle zu vermeiden, sollten Sie das Perfekt meiden. Es sei denn natürlich, Sie können es perfekt bilden. Zu guter Letzt gibt es noch ein Argument gegen das Perfekt:

Das Perfekt ist zu nah an der Umgangssprache!

Wenn wir sprechen, dann nutzen wir so gut wie nie das Präteritum, sondern meistens das Perfekt:

„Ich bin gestern in die Mensa gegangen. Da hat es aber nur Spinat gegeben“.

Viele Menschen, vor allem im Süden der Bundesrepublik, würden niemals sagen:

„Gestern ging ich in die Mensa. Da gab es aber nur Spinat“.

Und das ist auch in Ordnung so. Aber hier geht es um Zeitformen in wissenschaftlichen Texten. Und wissenschaftliche Texte sollten nicht in der Umgangssprache formuliert sein, sondern in einem präzisen, nüchternen Deutsch. Vor allem, um Uneindeutigkeiten zu vermeiden.

Und was ist mit der Zukunft?

Manchmal werden Sie auch in die Zukunft reisen müssen. Und zwar zu folgenden möglichen Anlässen:

  • Vermutungen und Prognosen, beispielsweise in der Einleitung:
    • „Es ist anzunehmen, dass in den nächsten Jahren immer mehr Männer an Bluthochdruck erkranken werden“.
  • Ausblicke im Fazit:
    • „Die Ergebnisse dieser Studie können ihren Teil dazu beitragen, dass die positiven Effekte von grünem Gemüse in den nächsten Jahren stärker erforscht werden“.
  • Rhetorische Fragen in Einleitung oder Fazit:
    • „Wie wird sich der Brokkoli-Markt in den nächsten Jahren entwickeln?“

Die Zukunft ist also eher dekorativ statt informativ. Aber erwähnen wollte ich sie trotzdem. Übrigens: Alle Beispiele sind im Futur I.

Fazit

Nun sind wir am Ende der Zeitreise angelangt. Was sind die richtigen Zeitformen in wissenschaftlichen Texten? Ich fasse es zusammen:

  • Das Präsens ist die Grundform.
    • Weil Wissenschaft im Hier und Jetzt stattfindet.
  • Das Präteritum ist die Berichtform
    • Weil Sie über abgeschlossene Handlungen und fixe Ergebnisse berichten.
  • Ins Plusquamperfekt gehen Sie, wenn Sie etwas Vorzeitiges beschreiben wollen.
    • Weil Sie dann beschreiben, was vor dem Berichteten geschehen ist.
  • Das Futur I können Sie nutzen, um einen Ausblick in die Zukunft zu geben.
    • Wenn Sie eine Prognose machen, einen Ausblick geben oder eine rhetorische Frage stellen.

Das Perfekt meiden Sie besser, wenn Sie sich nicht sicher sind, wie Sie es korrekt bilden können. Denn es besteht Verwechslungs- und Fehlergefahr. Und die zweitbesten Fehler sind die, die man gar nicht erst machen muss. Beim Schreiben und im Leben.

Und weil Sie bis hierher durchgehalten haben, können Sie sich nun an einem schönen Foto mit grünem Gemüse erfreuen:

Grünes GEmüse ist gesund. Im Bild: Salat.

Guten Appetit!

Link

Bei cactus 2000 finden Sie eine Konjugationstabelle, in der Sie auch das Partizip II nachschlagen können. Da stehen sie recht weit unten bei „Partizip Aktiv“. Die Form des Partizips II ist die untere.